Making-of (1-4) - Die großen Spuren des Sigmund Klein

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Making-of
Teil 1: wie das Interesse geweckt wurde


Ende Januar habe ich immer Geburtstag, daran wird sich auch nichts mehr ändern ... Und so begab es sich, dass ich im Jahr 2017, als ich im Januar wieder einmal erwartungsgemäß Geburtstag hatte, für mich etwas überraschende Glückwünsche von meiner Tante Margarete bekam.

Wir hatten uns schon lange nicht mehr gesehen, da sie doch in einiger Entfernung von uns wohnt und wir auch generell keinen sehr engen Kontakt innerhalb der Familie pflegten. Dank des Internets jedenfalls erreichten mich diese Glückwünsche und nach einem kurzen Austausch kamen wir darauf, dass diese Tante Margarete (Dr. Margarete Blank-Mathieu, soviel Zeit muss sein), schon seit etlichen Jahren Material für eine Familienchronik gesammelt hatte.

Das fand ich interessant und unterstützte sie beim Layout dieser Chronik, die dann nach wenigen Monaten gedruckt werden konnten.
Teil 2: wie ich mich ans ‚Familienarchiv‘ erinnerte


In diesem Zusammenhang erinnerte ich mich an alte Dokumente, die ich vor einigen Jahren von meinem Vater bekommen hatte. Es handelte sich um diese Mappe.

Darin befanden sich Abstammungsurkunden der Familie Mathieu und auch der Familie Spönnemann (meine Großmutter väterlicherseits war eine geborene Spönnemann). Ich schaute mir also diese Unterlagen etwas näher an.

In dieser Mappe, die ich etwas großspurig als ‚Familienarchiv‘ bezeichne, fanden sich Unterlagen, die vornehmlich aus der NS-Zeit stammten. Denn damals war es ja besonders wichtig, seine eigene Abstammung möglichst lückenlos nachweisen zu können. Wie ich schon seit langer Zeit wusste (und was mich als Geschichtslehrer auch immer interessiert hatte, ohne dass ich hier jedoch aktiv nachgeforscht hätte), gab es aber den jüdischen Vorfahren Sigmund Klein in meiner Familie väterlicherseits. Meine Urgroßmutter Spönnemann war nämlich ein uneheliches Kind dieses Herren aus Bamberg gewesen.

In der mündlichen und sehr lückenhaften Überlieferung innerhalb der Familie wusste man aber dazu kaum etwas. Es schien nur klar, dass meine Urgroßmutter (die ja als ‚Halbjüdin‘ galt) an sich recht großes Glück gehabt hatte, dass sie und ihre Kinder die NS-Zeit wohl unbeschadet überstanden hatten. Meine Oma Mathieu (geborene Spönnemann) und ihre Geschwister hatten schließlich als ‚Vierteljuden‘ gegolten, und das war sicherlich nichts, was man unter Hitler für besonders erzählenswert hielt.

Als ich mir die Dokumente nun näher betrachtete, erkannte ich schnell, dass allein diese Schriftstücke (darunter Briefwechsel mit höchsten NS-Stellen) schon für sich genommen eine interessante Geschichte erzählten.
Teil 3: Aktenbestände aus den öffentlichen Archiven

Ein Dokument, das ich vorfand, gab einen Hinweis auf den Vaterschaftsprozess, den meine Ururgroßmutter gegen besagten Sigmund Klein geführt hatte. Das Ganze hatte 1893 vor dem Amtsgericht Fürth stattgefunden. Auf gut Glück schrieb ich also eine Mail genau dorthin, um anzufragen, ob solch alte Akten dort noch auffindbar wären. Sehr rasch bekam ich die Antwort, dass dies zwar nicht der Fall sei, dass die gesuchten Aufzeichnungen jedoch durchaus noch im Staatsarchiv gelagert sein könnten. Und ja, dort waren sie noch!
 
Mein detektivisches Interesse war also geweckt. Nun wollte ich mehr erfahren, und das ging dann auch sehr schnell und reibungslos voran. Die Akten wurden für mich eingescannt und da ein freundlicher Kollege die altdeutsche Handschrift transkribierte, erfuhr ich auch sehr bald allerhand Details aus dem Liebesleben meiner Ururgroßmutter.

Doch dies waren nicht die einzigen Bestände, die aufzufinden waren, denn es gab auch noch einiges an Unterlagen aus den Entnazifizierungsverfahren, die meine Vorfahren dann unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg durchliefen. Einerseits hatte man also in der NS-Zeit doch nicht unerhebliche Probleme aufgrund des jüdischen Vorfahren, andererseits kam man dann nach dem Krieg aber fast schon vom Regen in die Traufe. Denn aufgrund der eigenen NSDAP-Mitgliedschaft gab es dann wohl noch größere Probleme. Die Folgen, die sich nach dem Krieg daraus ergaben, waren in gewisser Hinsicht somit sogar schwerwiegender für die Spönnemanns als diejenigen, die der der jüdische Vorfahre während der NS-Zeit gehabt hatte.

All dies konnte ich nun anhand der Unterlagen erfahren, die ich nicht nur so vor mich hin sortierte und auswertete, sondern die ich auch Stück für Stück für eine zusammenhängenden Erzählung verwendete.

Eva Maria Neumeyer, meine Ururgroßmutter, die 1893 den Vaterschaftsprozess gegen Sigmund Klein angestrengt hatte und von der in der Familie dieses respektable Bild überliefert wurde
Teil 4: von Akten zu echten Menschen

Durch die Akten des Prozesses von 1893 war ich erstmalig auf den Namen der Familie Kohnstam aus Fürth gestoßen. Die Kohnstams waren nämlich die Verwandten ‚unserer‘ Bamberger Kleins. Meine Schwester, die meine Suche nach den Spuren unseres gemeinsamen Ururgroßvaters nicht nur mit Interesse verfolgte, sondern auch immer wieder wichtige Hilfestellungen leistete, entdeckte dann ein Buch von einem gewissen Pieter Kohnstam. In diesem Buch, das erst ein Jahr zuvor auf Deutsch erschienen war, schilderte der 1936 in Amsterdam geborene Pieter, wie er seine frühe Kindheit in den Niederlanden erlebte. Eine, wenngleich sieben Jahre ältere, Spielkameradin war dabei Anne Frank.

Während sich die Franks in Amsterdam vor den Nazis zu verstecken versuchten, machten sich Pieters Eltern (Pieters Vater war der Sohn eines Cousins von Sigmund Klein, der als Zeuge in dem Prozess von 1893 ausgesagt hatte) auf die Flucht durch das von den Nazis besetzte Westeuropa. Über Spanien konnten sie sich schließlich nach Argentinien retten, von wo aus Pieter dann in jungen Jahren in die USA auswanderte. Heute lebt Pieter in Florida. Selbstverständlich versuchte ich, so schnell es ging, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Nach ein paar E-Mails über den großen Teich hin und her, telefonierte ich dann bereits am Karfreitag des Jahres 2017 mit ihm. Es war also erst eine noch überschaubare Zahl von Wochen vergangen und ich hatte schon viele gänzlich neue Erkenntnisse gewonnen, die das Buch dann auch Kapitel um Kapitel voranschreiten ließen.
 
Dass ich sogar einen jüdischen Verwandten in Florida entdeckt hatte, war selbstverständlich ein besonderes Highlight für mich, da ich ja auch Englischlehrer bin und mich somit über jeglichen Kontakt in die angelsächsische Welt freue!

Sofern Sie tatsächlich noch mehr über die Entstehungsgeschichte des Buches erfahren möchten (die ersten vier Teile haben Sie ja bereits gelesen, oder zumindest bis hier gescrollt), dann geht es hier weiter zu den nächsten - und auch schon letzten - vier Abschnitten.
Vielen Dank für Ihr Interesse am Buch Die großen Spuren des Sigmund Klein

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